‚Handmade by Natives‘: Der hoer-wege KOPFHÖRER – AMP
Wer einen Kopfhörer-Verstärker in italienischem Lamborghini-Design, mit einem knackigen Fantasie-Namen und jeder Menge Klangregler sucht, dabei gern auch Zentnerlasten bewegt (und dafür bezahlen will) ist bei der HifiWERKSTATT hoer-wege leider falsch: Der hoer-wege KOPFHÖRER – AMP kommt im schlichten schwarzen oder silbernen Gehäuse aus lackiertem und eloxiertem Aluminium mit einer maximalen Wandstärke von 3 mm. Er misst moderate 220 x 300 x 56 mm und wiegt trotz extrem aufwendiger integrierter, linearer Stromversorgung gerade mal 3 kg. Der Amp kommt auf Wunsch mit symmetrischen und/oder unsymmetrischen Eingängen. Vorn hat er einen Netzschalter (mit schicker grüner Ring-Led), einen Lautstärke-Regler, drei Ausgänge (2x 6,35 mm, 1x 3,5 mm Klinke) sowie einen Mute-Schalter. Und da man ja wissen will, was drin ist wurde die Front mit ‚hoer-wege KOPFHÖRER – AMP‘ graviert. Der Verstärker ist für mich ‚Handmade by Natives’ im besten Sinne, er wird komplett von Hand in der Nähe von Bremen gefertigt.
In Zeiten, in denen es für viele Start-Ups am Wichtigsten scheint, als erstes ein schickes Logo und eine tolle Werbekampagne zu gestalten, ist hoer-wege der perfekte Gegenentwurf: Hier habe ich das gute Gefühl, dass ich 98% für Technik und 2% für Marketing und Design bezahle. Rein optisch ist dieser Amp für mich pures Understatement. Das kann man mögen oder auch nicht, ich finde es super. Mein kürzlich (gebraucht!) erworbener Abyss Diana Phi ist ohne Zweifel einer der besten Kopfhörer der Welt. Um wirklich zu zeigen, was er kann braucht er aber leider auch einen wirklich leistungsstarken Verstärker, ein Upgrade war also unausweichlich.
Anforderungen für ein neues Modell waren: Höchste Klangqualität, kein DAC, möglichst keine Klangregler, moderate Grösse, moderates Gewicht, moderater Preis. In dieser Reihenfolge. Am Ende kamen für mich drei Modelle in die Auswahl: Der Benchmark HPA4 ist extrem hochauflösend, geradezu brutal analytisch und ohne Zweifel ein perfektes Arbeitsgerät für den Studio-Techniker. Für den privaten Musik-Genuss hat mir aber dann doch etwas der Spassfaktor gefehlt. Das vollkommen andere Extrem: Der Feliks Euforia SA bietet ein wollig-psychedelisches Klangerlebnis auf höchstem (Röhren-)Niveau. Für Röhren-Fans eine unbedingte Hör-Empfehlung, mir fehlte jedoch etwas die Detailgenauigkeit. Für mich leider dann doch im ‚Ist ok, aber was haben Sie denn noch so?‘ Bereich. Der dritte Kandidat: Der hoer-wege KOPFHÖRER – AMP vereint für mich die Vorzüge der beiden oben erwähnten Geräte, aber ohne die jeweiligen Nachteile. Er paart höchste Musikalität und Spielfreude mit extremer Detailgenauigkeit. Für mich war nach drei Sekunden Hörtest klar, dass meine Suche zu Ende ist: Ich habe die zufällig ausgewählte Test-CD (Ray Wylie Hubbard – Loco Gringo‘s Lament, 1994) zur Sicherheit noch 30 Sekunden weiterlaufen lassen. Nach einem zweiten ähnlich kurzen Test mit Marianne Faithfuls ‚Gypsy Faerie Queen’ vom ihrem grossartigen Album Negative Capability (2018) war die Entscheidung gefallen. So einfach kann es manchmal sein.
Der Abyss Diana Phi ist ein absoluter Weltklasse-Kopfhörer und mit dem hoer-wege Amp und einer entsprechend hochwertigen Quelle kann er wirklich zeigen was er drauf hat: Die Bühnenabbildung ist perfekt, wenn auch nicht übermässig gross, wobei die Darstellung schon deutlich über den Kopf des Hörers hinaus geht. Die Trennung zwischen den Instrumenten ist messerscharf. Die Natürlichkeit der Wiedergabe von akustischen Instrumenten ist kaum noch zu übertreffen. Die Bass-Wiedergabe des Diana Phi ist phänomenal. In Kombination mit dem hoer-wege Amp wird der Kontrabass endlich zu einem gleichberechtigten Mitglied einer Jazz-Kapelle und zupft nicht mehr nur leise im Hintergrund. Auf ‚You Want it Darker‘, dem Titel-Track von Leonard Cohens gleichnamigen Album von 2016 singt er:
„If thine is the glory
Then mine must be shame
You want it darker
We kill the flame.“
Mit meinem alten Setup war das ‚We’ unmöglich zu verstehen, und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was er da eigentlich sagen will. Mit der Abyss/hoer-wege Kombination wird klar: das Problem liegt in der Übertragung. Leonard Cohen nuschelt nicht, hier ist jedes einzelne Wort klar und deutlich zu verstehen. Das ist schlicht spektakulär.
Die späte Billie Holiday (Songs for Distingué Lovers, Analog Productions SACD) habe ich so unglaublich detailliert, nuanciert und bewegend über Kopfhörer noch nie vorher gehört. Gänsehaut pur.
Oft weiss man ja nicht, dass etwas ‚falsch‘ ist, bis man herausfindet wie es ‚richtig‘ sein kann: Bei Miles Davis – Kind of Blue (Mobile Fidelity SACD) hatte ich nie das Gefühl, dass mit dem Timing irgendwas nicht stimmt. Bis ich dieses Album das erste Mal über den hoer-wege Amp gehört habe: Deutlich flüssiger, ‚richtiger‘ und einfach musikalischer als jemals zuvor. Ein Hochgenuss.
Fazit: Der hoer-wege KOPFHÖRER – AMP ist für mich zu diesem Zeitpunkt definitiv End Game. Er hängt nicht nur preislich alle ernsthaften Mitbewerber gnadenlos ab, auch klanglich wird es zumindest im vierstelligen Preisbereich sehr, sehr schwer etwas Besseres oder auch nur Vergleichbares zu finden. Und natürlich kann er auch weitaus preiswertere Kopfhörer in nie geahnte Klangwelten heben. Meine Empfehlung deshalb: Unbedingt probehören.
Weitere Mitspieler:
CEC TL-5 CD-Transport, Cambridge Audio CXU Multi-Player (beide hoer-wege modifiziert), ATEN VC 880 HDMI Audio-Deembedder, hoer-wege DAC1794 MK-III, Kabel und Verbindungen von Furutech und Van den Hul, Sonderanfertigung. Voodoo: Akiko Audio.
HINWEIS: Diese Rezension reflektiert meine persönliche Meinung und gibt allein meine persönlichen Hör-Eindrücke wieder. Sie erhebt nicht den geringsten Anspruch auf Objektivität. Ich bin für diese Besprechung nicht bezahlt worden und habe auch keinerlei sonstige Gegenleistungen oder Vergünstigungen erhalten.